Dass ich ein großer Fan der Werbekampagnen von Bill Bernbach für VW und David Ogilvy (z.B. für Rolls Royce) bin, steht außer Frage. Deren ikonische Kampagnen haben mich schon als Schüler fasziniert. Später kam der Volvo-Clip dazu.
https://www.youtube.com/watch?v=BUNMBE1uKOs
Humor und Wortwitz waren Trumpf, heute leider kaum noch zu finden.
Für viele ist Werbung gleichbedeutend mit Marketing, was natürlich viel zu kurz gefasst ist. Denn Werbung ist ja nur eines der klassischen 4 P: Product, Price, Place, Promotion. Mittlerweile sind ja mit Purpose, People, Processes und Physical Facilities noch weitere Ps dazugekommen.
Dennoch bleibt Werbung der schillerndste, öffentlich wirksamste und auch umstrittenste Teil der P-Kette. Es gibt die Meinung, dass Werbung ein Abbild der Gesellschaft sei, weil sie nur wirksam sei und Bestand habe, wenn sie von der Allgemeinheit akzeptiert würde. Tut sie das nicht – und das weiß man in unserer datengetriebenen Zeit sehr schnell – wird sie ersetzt und eingestellt. Manchmal will Werbung allerdings auch provozieren (Benetton, Sixt, nucao), um sich ein rebellisches Image zu verschaffen oder nur, um die Öffentlichkeit in eine bestimmte Richtung zu nudgen (Wahlwerbung).
Wer nicht wirbt, der stirbt. Wirklich? Viele altbekannte Marken werden oft jahrelang nicht beworben, erfreuen sich aber aufgrund ihres vorher aufgebauten Images und ihrer eingängigen Werbung nach wie vor großer Beliebtheit (Fairy Ultra, Melitta, Syos, Hanuta).
Insbesondere dann ist es festzustellen, wenn Relaunches mit musikalischen oder optischen Anleihen an die alte Kampagne gefahren werden (Langnese – Like Ice in the Sunshine, Fairy – Villariba und Villabacho).
Oft wandern Marken aber auch auf andere Aufmerksamkeitsbereiche ab und halten so ihre Flamme am Brennen: Red Bull in die Formel Eins und zu Fun-Sportarten, West und Camel zu Kleidung, Marlboro zu Reisen. Flyeralarm und Strauß Innovation beglücken seit Jahr und Tag die Banden in Fußballstadien.
Mal sehen, wohin die Süßwarenindustrie ausweicht, wenn sich unser Landwirtschafts- und Ernährungsminister mit seinem Plan durchsetzt, zuckerhaltige Produkte aus der Tages- und Primetime-Werbung auszuschließen. Vermutlich zu Social Media und zielgruppenadäquaten Events, wie sie es jetzt schon angefangen hat (Kindertag, diverse Markenclubs etc.).
Durch die text-, bild- und videogenerierenden LLMs ist Werbung in eine neue Phase getreten: es ist nun nicht mehr nur das durch Photoshop verschönte Modelfoto oder die automatisch platzierte contextadäquate Werbung in Social Media, sondern die Erzeugung ganzer Werbeflights durch die richtigen Prompts, die die Prozesse der Werbeerstellung beschleunigt (jaja, der Mensch muss da noch sooo viel nacharbeiten, LLMs machen nur Vorschläge und Moodboards – ich lache mich tot!). Die Agenturcontroller basteln sicher schon an der nächsten Entlassungswelle…
Dumm nur, dass die Kunden das auch mitbekommen haben und teilweise zu Inhouse-Lösungen übergehen (indem sie ihre Marketeers zu Prompt-Seminaren schicken) oder eben deutliche Preisabschläge von den Agenturen fordern, da es ja nun alles schneller und automatischer geht. Vgl. dazu auch: Künstliche Intelligenz: Wie KI die Werbung für Unternehmen revolutioniert (handelsblatt.com)
Aber zu jedem Trend gibt es ja einen Gegentrend: die gute alte Marketingmanufaktur mit viel human touch wird weiterhin ihre Liebhaber finden, wenn auch nicht unbedingt in der Generation Z.
Meine Prognose nach über 50 Jahren Werbebeobachtung (und tw. ja auch -erzeugung): es wird weiter bunt und vielfältig bleiben, mit vielen Stilrichtungen und Erzeugungsarten nebeneinander. Spannend wird es dann mit quantenschnell erzeugten Clips im Megaversum, wann immer das kommt.