Auf einem Zukunftsdialog Agrar und Ernährung von Bitkom und dfv kam als letzter Vortrag des Tages überraschenderweise einer von Rheingold Studios (Ines Imdahl) über die Generation Z (1996-2010).
Es war ein spannender Parforceritt durch 7 Jahre psychologische Marktforschung zu diesen nur 10% der bundesdeutschen Bevölkerung (ab 2030 sind immerhin 50% der Bundesdeutschen über 50 Jahre alt), die aber unbeabsichtigt die ganze Gesellschaft beeinflussen: Markenartikler, Arbeitgeber, Dienstleister – alle buhlen um sie.
Dennoch hat diese Generation permanente Angst vor Kontrollverlust und zwar
- Auf körperlich-persönlicher Ebene (alles ist ihr peinlich, alles riecht)
- Auf kulturell-gesellschaftlicher Ebene (nichts ist sicher, alles ist gender-fluid, vile Fakes sind unterwegs, alles ist relativ)
Die Gen Z hat in jungen Jahren schon viele Krisen erlebt (9/11, Finanzkrise, Flüchtlinge, Klima, Corona, Ukrainekrieg, Inflation), so dass das 3. Wort des Babys nach Mama und Papa jetzt oft „Krise“ ist und nicht mehr „Cola“ wie noch 1980.
Jedoch werden aus empfundener Ohnmacht auch schnell Allmachtsfantasien, was sich in ihren Social-Media-Ergüssen und -Fotos wiederspiegelt: da finden wir häufig mehr Schein als Sein. Dank des FOMO-Effekts (fear of missing out) kommt es auch zu einem permanenten Trommelfeuer an Messages und Postings, die unbedingt sofort beantwortet oder kommentiert, aber zumindest geliket, werden sollen.
Im Jahr 200 wollten noch 13% der jungen Erwachsenen berühmt sein, 2020 waren es schon 30%. Traumberuf: Influencer (früher noch: Irgendwas mit Medien).
Mythos Nachhaltigkeit: die Gen Z ist weniger nachhaltig als ihre Peers davor! Z.B. bemühen sich nur 65% um Recycling, bei den Millennials sind es 67%. Fast Fashion kaufen 57%, bei Millennials nur 41%.
Echte Freunde sind der Gen Z wichtiger als Beziehungen, denn Verlieben ist ja auch eine Art Kontrollverlust. Man trifft sich also viel lieber mit Freunden, als ein Date zu haben.
Es ist ihnen auch sehr wichtig, die Kontrolle über den eigenen Körper zurückzugewinnen bzw, zu behalten: 66% der Gen Z ist daher sehr an Kosmetika interessiert, 42% der Männer ab Jahrgang 2016 schminken sich regelmäßig! 19% sind offen für Schönheits-OPs, 10% sogar für minimal-invasive Eingriffe dafür. („Es lohnt sich immer, in die äußere Hülle zu investieren.“)
Zur Körperkontrolle zählt auch die Körpermodellierung, denn Fitnessstudios verzeichnen enorme Zuläufe: 2013 noch 900.000, 2018 schon 1,8 Millionen und 2023 4 Mio. Sogar in manchen Schulen gibt es jetzt das Fach „Fitness“.
Warum Kosmetik und Modelling? Weil die Gen Z ihr Gegenüber mehrheitlich nach dem äußeren Erscheinungsbild bewertet: 60% glauben, den Charakter eines Menschen an seinem Äußeren erkennen zu können! (Boomer nur zu unter 30%.)
Neben der Körperkontrolle sucht die Gen Z aber auch das Glück. Wichtig ist es, Spaß zu haben – im Studium, im Beruf, bei Hobbys. Zusammen mit einem festen Partner? Nur, wenn er wirklich passt!
Warum sind die Gen Zler so wie sie sind? Weil sie mehrheitlich von ihren Eltern und auch Arbeitgebern in ihrer Glückssuche und Beliebigkeit auch noch tatkräftig unterstützt werden und damit deren eigenverantwortliches Handeln und Erwachsenwerden verhindert wird.
Dabei ist die Gen Z die unglücklichste Generation von allen: der Wert fiel in10 Jahren von 56 auf 46% bei der Frage, ob man sich glücklich fühle.
Gleichzeitig steigerte sich der Anteil der Gen Z-Angehörigen wegen Ängsten und Depressionen in der Psychotherapie um 119%. („Es macht nicht glücklich, jede Minute glücklich sein zu wollen.“)
Essstörungen treten erstaunlicherweise bei männlichen Gen Zlern häufiger auf als bei weiblichen. Hier schwankt der Konsum zwischen Lust (Döner, Pizza, Burger) und Body Shaping (Protein Shake, Gemüse-Smoothie). Nur 2,3 bis 6% (da gibt es divergierende Umfragen) aller Gen Zler sind Veganer (Gesamtbevölkerung: 3-4%).
Hashtags und Filter sind bei Social Media out, Be Real (eine Realityfilm-Plattform) ist enorm in. Authentizität ist eben sehr gefragt. Sollte ein Influencer mal nicht authentisch oder seinem Image gemäß agieren, wird er mit Shitstorms überzogen und ist mega-out.
Insgesamt lässt sich sagen, dass die Gen Z sich irgendwie LOST fühlt, nicht glücklich ist, eine große Sicherheitssehnsucht hat, sich aber ungern fest bindet. Die Trennungsrate ist enorm hoch, was sich an den vielen Abbrüche bei Ausbildung und Beruf zeigt. Es herrscht große Unsicherheit und Entscheidungsschwäche vor, die Aufmerksamkeitsspanne ist auf einem Rekordtief angelangt.