Die DIN SPEC(ification) ist eine seit 2012 durchführbare schnelle Form der Standardisierung. Dabei schlägt ein Initiator ein Team aus Branchenpraktikern und Wissenschaftlern vor, die gemeinsam in 4-6 Monaten unter Moderation des DIN e.V. ein Dokument erstellen, die DIN SPEC, eine Art Standard light, in der Rahmenbedingungen und Anforderungen einer neuen Technologie (dazu zählt auch Software!) oder eines neuartigen Prozesses oder einer neuartigen Klassifikation beschrieben werden, die für ihre Branche einen neuen Standard bedeuten.
Vorteile der DIN SPEC sind,
- dass der Initiator als First Mover seiner Branche gilt,
- dass der Initiator und sein Team mit der starken Marke DIN erhebliche PR-Effekte erzielen,
- dass eine DIN SPEC dank der Marke DIN ein Qualitätsnachweis für den Initiator und sein Team sind,
- dass das DIN vor der Veröffentlichung genau prüft, ob bestehende nationale oder internationale Standards dadurch berührt oder ersetzt werden,
- dass das DIN-SPEC-Verfahren erheblich schneller (4-6 Monate) als ein normales DIN-Standard-Verfahren (18+ Monate) ist,
- dass bei der Beschäftigung mit der Innovation oft während des Ausarbeitungsprozesses dank der Einbeziehung von Branchenexperten noch Verbesserungen erzielt und neue Ideen berücksichtigt werden können,
- dass das Unternehmen des Initiators und die Unternehmen des Teams dadurch ihren immateriellen Firmenwert erhöhen,
- dass ein Standard die Open Innovation fördert, während ein Patent ja eine IP vor Nachahmung schützen soll (closed shop),
- dass das DIN SPEC Grundlage für ein Standard-DIN-Verfahren sein kann,
- dass der Initiator zum Expertennetzwerk des DIN zählen, die bei Bedarf in Normenausschüsse berufen werden (Kosten: 1000 € p.a., einfache Mitgliedschaft im DIN e.V. kostet bei unter 10 Mitarbeitern 360 € p.a.),
- dass das DIN SPEC nach Veröffentlichung patentschädlich ist,
- dass das DIN SPEC durchaus mit einem oder mehreren Patenten kombiniert werden kann (Beispiel Backwaren: das neue Backverfahren wird standardisiert, die dazu nötige Hardware patentiert),
- dass man unter der Überschrift seiner DIN SPEC-Nr. problemlos einen Eintrag zur Erläuterung der neuen SPEC bei Wikipedia bekommt mit allen URLs der Konsortialmitglieder,
- dass auch Standardisierungskosten mit bis zu 10.000 € vom WIPANO-Programm des BMWi bezuschusst werden, falls es mit dem DIN CONNECT nicht klappt (s.u.).
Nachteile des DIN SPEC sind,
- dass es 30-45.000 € kostet, die man aber mit seinen Konsortialpartnern teilen kann,
- dass es personelle Ressourcen bindet, die bei Startups stets knapp sind (2-5 Workshops bei DIN plus Ausarbeitungszeiten dazwischen),
- dass das DIN vor dem Kick-Off-Meeting noch eine 4-Wochen-Frist einräumt, wo der verabschiedete Geschäftsplan der neuen DIN SPEC allen gezeigt wird, so dass sich theoretisch auch Wettbewerber ins SPEC-Erarbeitungsteam setzen dürfen,
- dass es sich auf rein nationale Standards nicht rechnet im Vergleich zum Patent (3-8.000 € Patentanwalts- und DPMA-Anmeldegebühren) – aber bei Internationalisierung umso günstiger wird, da (im Gegensatz zum Patentbereichsausweitungen) dem Initiator dadurch keine weiteren Kosten entstehen.
Als Fazit kann man auch aufgrund der bisherigen Erfahrungen von DIN-SPEC-Initiatoren festhalten, dass dieses eher unbekannte Instrument der IP-Manifestation von Technologie-lastigen Startups und Unternehmen viel häufiger eingesetzt werden sollte, wenn man als First Mover Flagge zeigen und branchenstrukturierend am Markt in Erscheinung treten will. Investoren, große Forschungsinstitute, die öffentliche Hand sowie Großunternehmen lieben Investitionsobjekte und Geschäftspartner, deren IP als Standard (aber natürlich auch als Patent) anerkannt ist.
Hinweis:
Seit 18.07.2016 ist der DIN-SPEC-Wettbewerb DIN CONNECT online, bei dem man jeweils bis Ende September DIN- oder VDE-SPEC-Projektvorschläge in verschiedenen Kategorien einreichen kann. Die jeweiligen Sieger erhalten je 10.000 €, mit denen man Kosten zur Erarbeitung der SPEC bezahlen soll – auch ohne WIPANO-Förderung. Außerdem sind die Sitzungen zur Erarbeitung der SPEC for free.
Die Aussichten auf einen Gewinn sind übrigens nicht schlecht und liegen aufgrund schwacher Einreichungszahlen und 15-20 Zusagen bei 30-50%. Im Coronajahr 2020 wurde der Wettbewerb leider 2 Wochen vorm Einreichungsende gecancelt.
In 2021 startete der Wettbewerb (versetzte Bewerbungsfrist 1.9.-31.12.) mit 22 Bewerbern für die Förderung (10k Zuschuss und DIN-SPEC-Erarbeitung für 12 Monate for free ab 1.5.2022). Ab 2022 ist wieder der normale Bewerbungszyklus (1.6.-30.9.) relevant.
In 2024 scheint der Wettbewerb ausgesetzt zu sein, wohl wegen mangelnder Resonanz in den Vorjahren.
Schade! Bleibt dann doch nur WIPANO…