Im Moment vibriert die Startup-Szene unter den neuen Buzzwords AI, Blockchain und ICO (Initial Coin Offering), dass es eine wahre Freude ist. Allein die Erwähnung eines der Worte soll zu einer bis 30% höheren Firmenbewertung führen, so verrückt ist der Wagniskapitalmarkt bereits geworden.
Dass die Blockchain-Technlogie eine der bahnbrechenden Archivierungs- und Sicherheitsarchitekturen in der IT darstellt, ist unstrittig. Während viele noch auf ihre proprietären Serverfarmen auf eigenem Gelände vertrauen, hat sich die Verarbeitungs- und Speicherbewegung längst auf in kleine, dezentral angelegte Infoeinheiten vernetzter Systeme (distributed ledger) gestürzt, die mehr Sicherheit, Transparenz und Nachhaltigkeit versprechen.
Nachhaltigkeit? Der Stromverbrauch der weltweiten Blockchainverarbeitung soll der des Landes Argentinien entsprechen, bei einem Blackout wäre auch damit also schnell Schluss. There is no free lunch. Dennoch werden smart contracts viele Prozesse – z.B. die Abrechnungen in konplexen, grenzüberschreitenden Wertschöpfungsketten – erleichtern und beschleunigen.
Wetten auf die Zukunft kennen wir aus dem Anlagebereich und Terminhandel genug, nun also auch auf von Firmen neu geschürfte Kryptowährungen bei ICOs (Initial Coin Offerings). Diese dienen vornehmlich auf Blockchaintechnologie basierenden Startups zur alternativen Finanzierung, oft in Millionenhöhe. Das wird so lange gut gehen, wie das Vertrauen in die Startups bestehen bleibt, dass sie deutlich an Wert zulegen und so die Wette erfüllen können. Nach den ersten zu erwartenden Pleiten im Shakeout der engen Branchenkämpfe und der zunehmenden Regulierungen und drohenden Kryptowährungs-Verbote durch Staaten oder Marktakteure könnte das bald wieder anders aussehen. Auch bei ICOs gilt die alte Anlegerregel: nur das investieren, dessen Verlust man notfalls verschmerzen kann, nicht alles in ein Projekt investieren, schon gar nicht auf Kredit, und max. 10% des Vermögens.
Artificial Intelligence (AI) bzw. Künstliche Intelligenz (KI) ist in aller Munde, kann aber selten sauber definiert werden, zumal es auch hier mehrere Grade gibt. Das häufig synonym verwendete Machine Learning (ML) ist eigentlich ein Teilbereich der AI und ist ebenfalls zu differenzieren. Seit ich im Normenausschuss des DIN für Künstliche Intelligenz sitze, habe ich das ganze Ausmaß der Diskussion erst so richtig mitbekommen. Hilfreich ist auch mein Paper.li-Hashtag #AI auf Twitter, der mich täglich mit neuen Artikeln zum Thema versorgt.
Am spannendsten sind dabei die Diskussionen zum Thema Ethik bzw. Technikfolgeabschätzung, weil wir – wie Noah Harari in Homo Deus sehr gut beschreibt – evolutionsmäßig noch gar nicht auf das Informationszeitalter der 4. Industriellen Revolution eingerichtet sind. Unser eben gerade ausgebildetes Sammler- und Jägerhirn ist nicht für den konstanten Flow of Data, dem wir täglich ausgesetzt sind, eines Superhumans eingerichtet – kein Wunder, dass digital-detox-Kurse so begehrt sind bzw. als Luxusurlaub angesehen werden.
Noch spannender in diesem Zusammenhang finde ich persönlich den Hinweis, dass neben allem Singularitätsstreben – also der Gleichheit des Denkens von KI-System und Mensch, also von künstlicher und menschlicher Intelligenz (wie immer man intelligent definieren mag) – man sich doch fragen muss, ob es wirklich so anstrebenswert ist, eine KI ganz nach dem oft irrational und emotional handelnden Ebenbild des menschlichen Hirns bauen und entscheiden lassen sollte, oder ob wir als intelligent auch andere Formen von Intelligenz anerkennen wollen, die sich durch selbstlernende Algorithmen herausbilden und ganz anders entscheiden, als ein Mensch in derselben Situation entscheiden würde.
Hier schlägt dann meistens die Stunde der Apokalyptiker, die uns den Untergang unserer Spezies prophezeien, wenn die ach so schlauen neuen Bewusstseinsformen erkennen, dass die unlogischen und unvollkommenen Menschen besseren Zielen (z.B. Rettung des Planeten, Evolution zu einer neuen überlegenen Lebensform) nur im Wege stehen und eigentlich ausgerottet gehören.