Die in den letzten Jahren zu beobachtende Flut von Inkubatoren und Acceleratoren, die von etablierten Firmen eingerichtet wurden, zeugt von deren Sehnsucht, vom Denken und Handeln, aber auch den möglichst disruptiven Produkten und Services der Startups profitieren zu können.
Dabei fallen 7 Eigenschaften ins Auge, die besonderes Interesse finden:
1. Radikale Agilität
Die „cheflose“ Arbeitsweise in autonomen, selbstorganisierten Arbeitsgruppen – mit immer einem Problem pro Loop für das ganze Team – soll die Produktqualität (alle heterogenen Hirne denken über dasselbe Problem nach) und die Arbeitseffizienz (keine Ablenkung durch andere Aufgaben) deutlich verbessern. Alle Entscheidungen fallen im Team, aber auch alle sozialen Kontrollen finden dort peer2peer statt: darum muss ein agiles Teammitglied es auch aushalten können, klar und deutlich von anderen kritisiert zu werden, um Fehlverhalten sofort auszuschalten und ohne viel Politik und Personalbesprechungen schnell wieder zum gewünschten Arbeits-Flow beim Abarbeiten des Backlogs zu kommen. Als Mentoren/Berater dienen dem Team dabei Product Owner und Delivery Leads bzw. Scrum Master und People Leads.
2. Bootstrapping
Viele Startups gründen sich nicht mit einem großen angesparten Vermögen im Hintergrund, sondern müssen für die ersten Anlaufkosten bei FFF (Family, Friends and Fools) nachfragen. Das bedeutet, dass sie am Anfang buchstäblich jeden Euro 3x umdrehen müssen, bevor sie ihn ausgeben und dass sie dabei besonders zielorientiert und kreativ, sprich liquiditätsschonend und nachhaltig, vorgehen. Davon können Corporates mit prallen F+E-Budgets und dennoch sehr formalisierten Freigabeprozeduren nur lernen.
3. Lean Startup
Dass man Innovationen nicht am Markt vorbei entwickeln, sondern die ersten abgespeckten Funktionsmodelle (MVPs) gleich mit der Zielgruppe außerhalb des Büros diskutieren sollte, hat sich mittlerweile als Definitionsmerkmal herumgesprochen. Das Entscheidende hierbei ist aber die Geisteshaltung dahinter: wenn nicht mindestens 80% der Angesprochenen meine Innovation verstehen und gut finden, muss ich sie optimieren oder gar das ganze Geschäftsmodell ändern (pivotieren). Wenn weitere Tests nicht die nötige Resonanz finden, muss ich die Idee schnell fallen lassen und nicht weiter Geld hineinpumpen.
4. Mut zu radikalen Entscheidungen
Dieses konsequente Denken als Lean Startup geht mit Mut und Konsequenz bei der Entscheidungskultur einher: Wenn eine Idee im Markt nicht (mehr) ankommt, darf ich sie nicht selbstverliebt zulasten der gesamten Unternehmung künstlich am Leben erhalten und/oder mir Gefälligkeitsgutachten dazu von auftragsgierigen Dienstleistern ausstellen lassen, sondern muss als Führungskraft schnell den Stecker ziehen können.
5. Fehlertoleranz
Das permanente Testen von Produkt- und Serviceideen setzt voraus, dass ich aus Fehlern in Konzept oder Ausführung zu lernen bereit bin, sie auch geradezu mit einplane. Edison hat erst im tausendsten Materialtest seinen Wolframdraht für die Glühbirne gefunden.
6. Kundenfixierung
Die Customer Centricity steht bei einigen neuen Unternehmen sogar über der kurzfristigen Gewinnerzielung, weil man hofft, dass ein zufriedener Kunde ein wiederkehrender ist. Das ist zu Ende gedachte Marketingausrichtung. Radikale Visionen muss man allerdings auch mal entgegen der eher vergangenheitsorientierten Kundenmeinung durchsetzen: Steve Jobs hat keinen Kunden gefragt, als er das iPhone entwickelte. Von Henry Ford ist überliefert: „Hätte ich meine Kunden gefragt, sie hätten schnellere Kutschen (statt Tin Lizzy) haben wollen!“
7. Firmenkultur
Die Königsdisziplin auch für Startups ist es allerdings, sich die ganz eigene, disruptive Arbeits- und Denkweise der Gründertage zu bewahren, dem Mission Statement stets treu zu bleiben. Dies wird mit strukturellen (Großraumbüros, After-Work-Partys, Team-Events) und organisatorischen (Stand-up-Meetings, agile Teams) Maßnahmen versucht zu manifestieren, scheitert aber oft am Lebenszyklus und der zunehmenden Personalstärke der Unternehmung. Umso spannender ist es, wenn sich neu etablierte Unternehmen wie Facebook und Google sich nach wie vor ihren Startup-Charakter bewahren wollen und dies in den Augen vieler High Potentials auch tun, was sich an den Bewerberzahlen ablesen lässt.
Dass die Umwandlung eines vom Management streng kontrollierten Unternehmens hin zu einem agilen, von den Mitarbeitern geführten Unternehmen nicht ohne Training, gemeinsamen Willen, Regeln und Rituale, Transparenz, Vertrauen und daher deutlichen Kulturwandel funktioniert, hat Hermann Arnold, Mitgründer und langjähriger Geschäftsführer des Softwareunternehmens Haufe-Umantis, sehr detailliert in seinem Buch „Wir sind Chef“ beschrieben.
Um sich gegenseitig zu beschnuppern, finden viele Matchmaking-Veranstaltungen statt, die unter Events hier gern aufgelistet werden.